30. Juli 2018
Meine Seele hat es eilig
Ich habe meine Jahre gezählt und festgestellt, dass ich weniger Zeit habe zu leben, als ich bisher gelebt habe.
Ich fühle mich wie ein Kind, das eine Schachtel Bonbons gewonnen hat. Die ersten ißt es mit Vergnügen, aber als es merkt, dass nur noch wenige übrige sind, begann es, sie wirklich zu genießen.
Ich habe keine Zeit für endlose Konferenzen, bei denen die Statuten, Regeln, Verfahren und internen Vorschriften besprochen werden, in dem Wissen, dass nichts erreicht wird.
Ich habe keine Zeit mehr, absurde Menschen zu ertragen, die ungeachtet ihres Alters nicht erwachsen sind.
Ich habe keine Zeit mehr, mit Mittelmäßigkeit zu kämpfen. Ich will nicht in Besprechungen sein, in denen aufgeblasene Egos aufmarschieren. Ich ertrage keine Manipulierer und Opportunisten.
Mich stören Neider, die versuchen, Fähigere in Verruf zu bringen, um sich ihrer Positionen, Talente und Erfolge zu bemächtigen.
Meine Zeit ist zu kurz um Überschriften zu diskutieren. Ich will das Wesentliche, denn meine Seele ist in Eile. Ohne viele Süssigkeiten in der Packung.
Ich möchte mit Menschen leben, die menschlich sind. Menschen, die über ihre Fehler lachen können. Die sich nichts auf ihre Erfolge einbilden und die Verantwortung für sich selbst übernehmen. Die die menschliche Würde verteidigen und die nur an der Seite der Wahrheit und Rechtschaffenheit gehen möchten. Es ist das Wesentliche, was das Leben lebenswert macht.
Ich möchte mich mit Menschen umgeben, die es verstehen, die Herzen anderer zu berühren. Menschen, die gelernt haben, nicht durch Strenge und Härte, sondern durch sanfte Berührung der Seele zu wachsen.
Ja, ich habe es eilig. Ich hab es eilig, mit der Intensität zu leben, die nur die Reife geben kann.
Ich habe nicht vor, die Süßigkeiten, die mir noch bleiben, zu verschwenden. Ich bin mir sicher, dass sie köstlicher sein werden, als die, die ich bereits gegessen habe.
Mein Ziel ist es, das Ende zufrieden zu erreichen. In Frieden mit mir, meinen Lieben und meinem Gewissen.
Wir haben zwei Leben und das zweite beginnt, wenn Du erkennst, dass Du nur eines hast.
Gedicht von Mario de Andrade (Sao Paulo, 1893 – 1945)
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